Die andalusische Hauptstadt Sevilla ist ja für eine unüberschaubar große Anzahl an Sehenswürdigkeiten bekannt: Altstadt, Aquädukt, Kathedrale, Plaza de España – und so weiter, und so fort. Die allermeisten Besucher dürften allerdings ein entscheidendes kulturelles Merkmal der Stadt verpassen, denn um die „Semana Santa“, die Heilige Woche, in Sevilla miterleben zu können, muss man zur richtigen Zeit hier sein. Und diese „richtige“ Zeit, das ist die Karwoche, die Woche vor Ostern.
Die Karwoche, die Woche vor Ostern
In Sevilla beginnt sie mit dem „Domingo de Ramos“, dem Palmsonntag. An ihm und den sieben darauf folgenden Tagen, endend mit dem Ostersonntag, steht die gesamte Metropole ganz im Bann der Prozessionen der knapp 60 Bruderschaften, die – jede für sich – an einem bestimmten Tag der Woche einen „cortejo“, einen Prozessionszug, durch das beheimatete Viertel veranstaltet.
Die Bruderschaften Hermandades
Die Geschichte der Bruderschaften, der so genannten Hermandades, geht zurück bis in das 14. Jahrhundert. Einige haben sich umbenannt oder mit anderen zusammengetan, andere gibt es seit damals durchgehend, und schon seinerzeit hielten sie erste Prozessionen ab. So, wie die Semana Santa heute begangen wird, hat sie ihren Ursprung im Jahre 1521, und 1604 schließlich führte der Kardinal Niño de Guevara das Gebot ein, dass eine jede Hermandad auf ihrem Prozessionsweg die Kathedrale Sevillas besuchen musste.
Heutzutage dürfen auch Frauen bei den Bußzügen mitgehen
In den letzten 200 Jahren dann verschob sich aufgrund kirchlicher Bemühungen die Konzentration der Karwoche hin zur Marienverehrung. Heutzutage dürfen auch Frauen bei den Bußzügen mitgehen, und seit man erkannt hat, dass Touristen finanziell zumindest nicht schaden, wenn sie zur Semana Santa in der Stadt sind, hat man die Umzüge nur noch prächtiger gemacht. Ein Prozessionszug einer Hermandad besteht üblicherweise aus sechs Teilen, jeder davon trägt unterschiedliche Insignien der Gottesverehrung zur Schau. Der letzte Teil, der Paso de la Virgen, trägt das Bildnis der Jungfrau Maria und wird von einer Kapelle gefolgt.
Als wichtigster Moment gilt die so genannte „entrada“
Der Verlauf der Strecke führt dann jeweils vom Sitz der Bruderschaft ins Zentrum zur Kathedrale und zurück. Als wichtigster Moment gilt die so genannte „entrada“, das ist jener Punkt, an dem die Bruderschaft die Kapelle ihres Heimatviertels wieder betritt, was das Ende des Umzugs bedeutet. Das ist meist spät am Abend, weswegen die Szenerie von Kerzenschein beleuchtet wird und deswegen so prächtig wirkt. Den Sevillanos, den Einwohnern der Stadt, ist zumindest die Teilnahme – also das Zusehen – des Umzugs der Hermandad aus dem eigenen Viertel wichtig, Auszug und Wiederkehr der eigenen Bruderschaft wird von den Anwohnern zu Zigtausenden verfolgt. Interessant zu beobachten ist es auch, dass am Streckenrand, wo Zuschauer oft kurz vorher noch lauthals feiern und diskutieren, absolute Stille herrscht, sobald der dritte Teil eines „cortejo“ vorbeizieht. Der „Paso de Cristo“ stellt eine Szene aus der Leidensgeschichte Jesu dar, und im Anschluss erhebt sich die Lautstärke am Straßenrand aufs Neue. Sobald der letzte Teil, der Paso de la Virgen, ins Blickfeld kommt, wird es noch ruhiger, da die Marienbilder und –figuren die Beobachter in ihren Bann ziehen.
Abschluss der Semana Santa am Ostersonntag
Den Abschluss der Semana Santa am Ostersonntag bildet nur eine einzige, große Prozession, die von der „Hermandad Sacramental de la Sagrada Resurrección de Ntro. Señor Jesucristo y María Santísima de la Aurora“ durchgeführt wird und über zehn Stunden dauert.